Kirche in Uuwo

 

Das Jahr in Tansania neigt sich dem Ende zu und ich denke viel darüber nach, wie ich mich mit der Zeit in die tansanische Gesellschaft eingefunden habe und inwieweit man sich überhaupt nach einem Jahr auf eine Art und Weise zugehörig fühlen kann.

 

Einen Großteil meiner Zeit verbringe ich in Uuwo und es wäre schon in Deutschland für mich eine vollkommen neue Erfahrung, mal in das Leben in einem kleinen Dorf einzutauchen.

 

Uuwo ist nun auch noch ein Dorf in Tansania und ich empfinde mein Zugehörigkeitsgefühl hier von Moment zu Moment unterschiedlich.

 

Es ist einerseits unglaublich, wie viele Menschen ich hier kenne, man kann keine noch so kurze Strecke zurück legen, ohne mindestens einem bekannten Gesicht zu begegnen. Entsprechend der tansanischen Höflichkeit und Offenheit wird dann auch fleißig gegrüßt und Smalltalk geführt und meistens geht man nach so einer Unterhaltung mit einem Lächeln im Gesicht weiter, beide Seiten freuen sich immer über ein interessantes Gespräch.

 

Andererseits ist die Beziehung zu fast allen Bekannten doch eine oberflächliche und mir fiele es schwer, eine Freundschaft mit einem gleichaltrigen Tansanier/einer Tansanierin zu benennen, wenn man mich fragen würde.

 

Die Beziehungen, die tiefer als eine Bekanntschaft reichen, sind meistens doch anderer Art. Da ist zum Beispiel unsere Gastfamilie, zu der sich mit der Zeit trotz des sich nicht oft überschneidenden Alltags ein familiären Umgang entwockelt hat. Und dann die Kinder. Kinder aus den Schulen und Einrichtungen, in denen wir arbeiten. Kinder, die jeden unserer Namen kennen und auf einen zugerannt kommen, wenn sie einen ersichten, um ein Pläuschen zu halten.

 

Die Fragen über Fragen zu uns und Deutschland haben und lange Gesichter ziehen, wenn sie hören, dass wir in einem Monat zurück nach Deutschland gehen. Bei denen ich mir sicher bin, dass sie mich auch noch kennen würden, wenn ich in ein paar Jahren zu Besuch zurück kehre.

 

Die Projekte sind also ein wichtiger Faktor, der mir geholfen hat, hier Menschen zu finden, zu denen ich eine Beziehung aufbauen konnte, die sich über das Jahr vertieft hat. Noch einfacher wäre das vermutlich gewesen, wenn ich nicht an so vielen verschiedenen Stellen gearbeitet hätte, sondern zum Beispiel jeden Tag in dieselbe Schule oder denselben Kindergarten gegangen wäre.

 

Ein weiterer Ort, an dem man Zugang zum Dorf findet, ist die Kirche. Über die möchte ich euch an dieser Stelle mal ein bisschen ausführlicher berichten.

 

Die Gegend hier ist christlich geprägt und Uuwo ist überwiegend evangelisch. Die evangelische Kirche steht mitten im Dorf und hier spielen sich alle wichtigen, die Dorfgemeinschaft betreffenden Angelegenheiten ab: Hochzeiten und Beerdigungen, Treffen der Kirchenältesten wenn es ein Problem gibt (eine Familie im Dorf benötigt materielle Hilfe/ die Eltern eines Kindes sind verstorben/...), musizierende Gruppen (Chor und Bläserensemble), Kindergottesdienste und Konfirmationsunterricht. Es gibt glaube ich fast keinen Uuwo-Bewohner, der sich nicht Sonntagmorgens aufmachen würde, um einen der beiden Gottesdienste, um 7 oder um 10 Uhr, aufzusuchen. Kirche gehört einfach dazu, in der Kirche treffen alle zusammen und es ist auch die Gelegenheit, um sich schick zu machen. Die Turnschuhe und Kangas(Tücher, die wie Wickelröcke um die Hüften gebunden werden), die man unter der Woche auf dem Feld trägt, bleiben Zuhause, stattdessen wimmelt der Weg vor der Kirche von Frauen in festlichen tansanischen Kleider und Riemchensandalen und Männern im Anzug.

 

Es war also von Anfang an für uns klar, dass ab und zu in die Kirche gehen dazu gehört. Wie ich vielleicht schonmal erwähnt habe, entschied ich mich allerdings, als eine der wenigen Katholikinnen in unserer Freiwilligentruppe, in die katholische Kirche zu gehen.

 

Die ist ein wenig abseits des Dorfkern an der geteerten Straße und obwohl die meisten, die ich aus dem Dorf kenne, in die evangelische Kirche gehen, kennt man auch dort immer ein paar Leute.

 

Der Gottesdienst dort läuft mehr oder weniger so ab, wie in der deutschen Kirche, so kann ich mich, obwohl ich nicht sonderlich viel von dem schnellen Kisuaheli verstehe, an der auch in Deutschland typischen Reihenfolge entlang hangeln: Lesung, Predigt, Kommunion.

 

Was jedoch vollkommen anders ist als in Deutschland, ist der jeden Sonntag spürbare Fakt, wieviel mehr Bedeutung Kirche und Glauben hier haben. Statt dem Bild einer halbleeren, überwiegend von älteren Menschen besuchten Kirche, das ich aus Deutschland im Kopf habe, sieht man hier bis auf den letzten Platz gefüllte Reihen.

 

Die Stimmung ist dadurch viel beschwingter, es gibt einen Chor, bei dem laut mitgesungen wird und in der evangelischen Kirche ein Blechbläser-Ensemble.

 

Man hat den Eindruck, dass gerne in die Kirche genagen wird. Dort sieht man die Anderen und wird gesehen, Kinder sitzen kichernd in den Bänken nebeneinander und vor und nach dem Gottesdienst stehen Grüppchen plaudernd beieinander.

 

Letztens hatte ich ein lustiges Erlebnis, das zu dem Gesehen werden passt und zeigt, wie sehr sich Dinge hier im Dorf herum sprechen. In den letzten Wochen gab es in der katholischen Kirche das Problem, dass der Pfarrer nicht um die Zeit auftauchte, zu der der Gottesdienst normalerweise anfängt. Ich, ganz der trottelige Mzungu, der eigentlich nicht so richtig einen Plan hat, wie das alles hier läuft, stand zum wiederholten Mal vor der leeren Kirche, um mich herum nur eine handvoll Kinder, die behaupteten, der Pfarrer sei auf Reisen und deshalb zu spät, er komme aber gleich. Ich muss zugeben, irgendwann war ich des Wartens im feuchten Nebel, der hier zurzeit morgens meisten aufzieht, Leid und machte mich auf den Weg nach Hause, nicht ohne vorher den Kindern versichern zu müssen, dass ich wieder komme. Ich hatte es auch wirklich vor, es war das warme Zuhause und die verlockende Aussicht, eine runde Doppelkopf zu spielen und danach nochmal ins Bett zu gehen, die diesen Gedanken zerstreuten und schwupps war es zu spät, leider leider konnte ich mich jetzt nicht nochmal auf den Weg machen, das würde sich nicht lohnen.

 

Tja, irgendwie wusste ich, das würde nicht unbemerkt bleiben.

 

Prompt in der nächste Woche kommt eine Kiumako Schülerin auf mich zu und fragt, ob ich am Sonntag nochmal zurück in die Kirche gegangen bin. Es stellte sich heruas, dass ihre kleinen Geschwister dort immer hingehen und ihr erzählt hatten, dass die Weiße ihr Wort nicht gehalten und nicht wieder zurück gekommen sei.

 

Ich musste darüber ziemlich lachen, es ist logischerweise nicht so einfach, sich als einzige Weiße unauffällig davon zu machen. Ob sich das bei einer TansanierIn so herum geprochen hätte, weiß ich nicht. Wir sind eben doch noch immer die Gäste und haben in den Köpfen vieler hier eine Sonserrolle, auch wenn jedes Jahr Freiwillige kommen.

 

Andererseits ist gerade die Kirche hier auch ein Ort, an dem man oft ein starkes Zugehörigkeitsgefühl hat. Beim gemeinsamen Singen, wenn man einfach ohne Probleme in den Chor aufgenommen wird, und jetzt zum Ende hin auch fast alle Lieder kennt. Und wenn nach einer Weile nicht mehr viel geguckt wird, sondern man einfach selbstverständlich dabei ist. Letztens waren wir auf einer Hochzeit eingeladen und saßen bei den Kiumako-Lehrern. Es war ein nettes Gefühl, da alle Leute aus Uuwo zu treffen und dabei sein zu dürfen, ohne im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen oder anders behandelt zu werden.

 

Und so fällt mir zwar immer wieder auf, dass ich auch nach einem Jahr noch in vielen Momenten ein starkes Gefühl von Fremdsein verspüre, weil ich immer wieder damit konfrontiert werde, wie anders ich aufgewachsen bin als die meisten Menschen, die hier in meiner direkten Umgebung wohnen. Und dass ich im Gegensatz zu ihnen eigentlich nicht hier lebe, sondern nur mal für ein Jahr herein schnuppere.

 

Andererseits ist mir vieles hier doch auch unglaublich vertraut geworden. Ich kenne alle Wege, habe viele Leute kennen gelernt. Und wenn wir Abends im Wohnzimmer sitzen und mit unserem Gastbruder Memorie spielen oder alle zusammen kochen, dann denke ich oft daran, wie sehr mir, obwohl ich mich unglaublich auf Zuhause freue, vieles aus Tansania auch fehlen wird, wenn ich wieder in Deutschland bin.

 

 

 

Die evangelische Kirche in Uuwo

Sonntags auf dem Weg zur Kirche/ Die Kinder der evangelischen Einrichtung für disabled children, bei der wir arbeiten