Ein Ausflug mit gegensätzlichen Ereignissen

 

Die Tage hier vergehen wie im Flug.. Wenn wir keinen Sprachkurs haben, streifen wir durch die Gegend, gehen auf den Markt oder spielen Nachmittags mit Kindern aus der Nachbarschaft. Und auch waschen und spülen nimmt gut mal zwei Stunden in Anspruch, wenn man es per Hand machen muss.

 

Mittlerweile habe ich mich ein bisschen daran gewöhnt, dass wir hier einfach auffallen und man fühlt sich schon eindeutig besser, wenn man auf die verwirrenden Begrüßungen mit seinem frisch erlernten Kisuahili schlagfertig antworten kann!

 

 

 

In der letzten Woche haben außerdem unsere ersten kleineren Projekte gestartet.

 

Von Sonntag bis Dienstag besuchten Lea(eine ehemalige Freiwillige) und ich die Partnerschule unserer Frankfurter Schule, die etwa 3 Stunden Fahrt(mit den verschiedensten Verkehrsmitteln und mehrmaligem Umsteigen) von hier entfernt ganz oben auf einem Berg liegt. Nicht nur der Ausblick ist dort atemberaubend, es ist auch interessant, die Unterschiede zu unserem Dorf hier zu sehen. Mir wurde noch stärker klar, auf was für einem grünen und fruchtbaren Fleck ich für mein Jahr gelandet bin, schon wenige Kilometer entfernt wird es trockener und die Häuser ärmlicher.

 

Im Gegensatz zu unserer Unterkunft hier, in der wir dreimal am Tag abwechslungsreich kochen und jeder sein eigenes Zimmer hat, war es auch ein ganz anderes Gefühl, an der Partnerschule mittags das Schulessen mitzuessen, das aus Reis mit Bohnen oder Bohnenmaisbrei bestand.

 

Abends wurde in der Gegend außerdem der Strom herunter getrimmt und so saßen wir ab sieben Uhr im Dämmerlicht, während der Wind ums Haus pfiff, und fühlten uns ein bisschen wie in früheren Zeiten, aber irgendwie auch sehr gemütlich.

 

Tagsüber verbrachten wir die Zeit an unserer Partnerschule, der Kilobeni Secondary School. Ein erstes witziges Erlebnis war, als ich ein Klassenbild von mir aus der fünften im Raum des Schulleiters entdeckte, es muss wohl jemand bei einem Besuch dorthin angeschleppt haben. Es ist doch komisch, dass es dort all die Jahre hing, an einem Fleckchen auf einem Berg mitten in Tansania, und wir wussten nichts davon.

 

Der Unterricht in der Schule war in mancher Hinsicht wie in Deutschland: es gab die motivierten Lehrer, die in den Freistunden ihren Unterricht vorbereiteten und denen man anmerkte, dass sie die Schüler mitnehmen wollen. Und diejenigen, die in den Freistunden vor ihrem Handy saßen, sodass man das Gefühl bekam, etwas anderes interessantes gibt es eigentlich nicht, und die Langeweile und Unmotiviertheit verbreiteten, sobald sie den Klassenraum betraten.

 

Andererseits waren die Stunden auch sehr viel frontaler als in Deutschland, oft wurde von der Tafel abgeschrieben und Vorträge gehalten, selten die Schüler gefragt, ob sie mithalten können.

 

 

 

Ein echt unerfreuliches Erlebnis gab es leider auch. An unserem letzten Tag musste in einer Freistunde plötzlich eine komplette Klasse vor dem Lehrerzimmer aufmaschieren und alle bekamen nacheinander ein paar Hiebe auf die Finger ab.

 

Für mich war es ein sehr schlechtes Gefühl, nicht einzugreifen. Andererseits haben frühere Erfahrungen gezeigt, dass dies unvernünftig wäre, weil es erstens zu einem kompletten Ansehensverlust von uns Freiwilligen führt und außerdem die Situation für die Schüler nicht verbessert. Außerdem ist es denke ich auch nicht der richtige Weg, mich als außenstehende Person über kulturelle Sitten hier zu stellen und Tansaniern zu erzählen, was richtig und falsch ist.

 

In Tansania ist die körperliche Bestrafung an Schulen von den meisten Personen angesehen. Das liegt wohl zum einen daran, dass die Tansanier damit aufgewachsen sind.

 

Außerdem sehen viele Lehrer keine alternativen Bestrafungen. In der Schule putzen und kochen helfen müssen die Schüler sowieso und der Druck von Zuhause fehlt oft, weil es einigen Eltern egal ist, ob ihre Kinder zur Schule gehen oder einen Abschluss machen.

 

Einzelne Lehrer können sich dem Gängigen schlecht entziehen, da sie einen Autoritätsverlust im Gegensatz zu den anderen Lehrern fürchten müssen.

 

Die körperliche Bestrafung, in die ich einen unschönen Einblick bekommen habe, muss also in größerem Zusammenhang gesehen werden.

 

In Deutschland wurde vor 50 Jahren auch noch geschlagen und auch dort hat sie irgendwann aufgehört. Ich denke, es ist also ein Prozess, der wohl auch hier schon in Gang gekommen ist. Im Gegensatz zu früher dürfen Lehrer nur noch wenige Schläge austeilen, dies wird zwar oft nicht eingehalten, ist aber auf jeden Fall schonmal ein Schritt.

 

Und die richtige Art, mit der Erfahrung, die mich sehr traurig gemacht hat, umzugehen, ist wohl, zu dem Thema weiter zu recherchieren und Gespräche und einen Austausch darüber zu führen.

 

 

 

So, um zu einem etwas erfreulicheren Abschluss zu kommen, möchte ich nun noch von dem Projekt erzählen, dass wir an der Partnerschule durchgeführt haben.

 

Die Idee einer Klasse der Wöhlerschule in Frankfurt, war es, ein Lied zu machen, dass von dem Thema „Frieden“ handelt und für das Kinder aus verschiedenen Ecken der Welt eine Strophe schreiben. Also schnappten Lea und ich uns nach dem Unterricht ein paar Kinder, die Lust auf Musik hatten, um ein zwei Strophen zu dem Song beizutragen.

 

Und letztendlich saßen wir dann nur noch daneben und mussten nichts tun, alles lief wie von alleine. Ungefähr 15 Schüler und Schülerinnen steckten eifrig die Köpfe zusammen und feilten an Text und Melodie. Nach 1-2 Stunden standen drei Strophen plus Refrain. Wir mussten dann nur noch filmen und das lange Fotoshooting mitmachen, das zustande kam, sobald ich meine Kamera ausgepackt hatte.

 

 

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Michael Apel (Donnerstag, 04 Mai 2017 10:58)

    Liebe Frau Siegel,

    in chrismon plus 06/2017 erscheint Ihr Text „Fremdsein“ in unserer Rubrik „Mail aus“.
    Dafür benötigen wir einmal ein Portraitfoto von Ihnen, gerne wie das von „Über mich“ in Ihren Blog, bitte nur der ganze Kopf und nicht angeschnitten.

    Zum anderen möchten wir gerne Ihren Text bebildern, zwei Fotos aus Ihrem Blog habe ich gespeichert, aber vielleicht können sie mir noch ein paar schicken, gerne Schulsituationen oder Fotos auf denen Sie oder andere Mitarbeiter/innen des Rafiki-Projeltes aktiv unterrichten.

    Danke vielmals, beste Grüße


    Michael Apel

    Fotoredakteur

    Hansisches Druck- und Verlagshaus GmbH
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