Weihnachtszeit...

 

In der Weihnachtszeit ist bei mir dieses Jahr so viel passiert, dass ich gar nicht genau weiß, worüber zu berichten ich anfangen soll.

 

Pünktlich Anfang Dezember, als in Deutschland gerade die Weihnachtsmärkte öffneten und hinter die ersten Adventskalendertürchen geguckt wurde, starteten wir nämlich unsere große Reise durch Tansania. Mehr als ein paar grobe Eckpunkte hatten wir nicht festgelegt und ich muss sagen, dass ich selbst auf unserer ersten Busfahrt noch nicht so richtig glauben konnte, dass wir jetzt drei Wochen unterwegs sein und die angepeilten Ziele wirklich erreichen würden.

 

Aber wir hatten totales Glück mit unserem ersten Zwischenstopp, der kleinen Insel Ukerewe, die mitten im Victoriasee liegt und auf die es uns mehr oder weniger zufällig spülte. Wir hatten spontan entschlossen, einen Tag auf der Insel zu verbringen, die man von Mwanza (der zweitgrößten Stadt Tansanias, die direkt am Victoriasee liegt) aus erreicht.

 

Tja, aus dem einen Tag wurden dann drei Tage, in denen wir uns nicht von der idyllischen Insel mit ihrem friedlichen Treiben ( in unserem Fall Mangos essen, mit gemieteten Klapperfahrrädern Streifzüge unternehmen, am Wasser sitzen und mit netten Inselbewohnern plaudern) verabschieden konnten.

 

In dem Moment wusste ich dann, dass die Fahrt eigentlich nicht mehr in die Hose gehen kann.

 

Nach ein paar Tagen Großstadt Mwanza, die nach der Zeit auf Ukerewe umso voller und trubeliger erschien, ging es dann auch schon weiter, in Richtung unseres nächsten Ziels, des Tanganyikasees.

 

Der Tanganyikasee ist der zweit tiefste See der Erde, er bildet einen Teil der westlichen Grenze Tansanias zum Congo und Burundi.

 

Auch hier konnten wir wieder wunderschöne Tage verbringen. Wir übernachteten ein paar Nächte auf einem Campingplatz am See und beim Anblick des klaren Sees mit den süßen verlassenen Buchten hatte ich das Gefühl, nun innerhalb einer Woche schon den zweiten schönsten Ort der Erde entdeckt zu haben. Und das war auch gut so, denn die nächste Fahrt, die uns bevorstand war eine 40-Stündige Zugfahrt von Kigoma nach Daressalam (ich werde versuchen, das alles nochmal auf der Karte zu veranschaulichen), die man nun wirklich nicht entspannt nennen kann.

 

Zwei Übernachtungen in einem ruckeligen alten Zug, in stickigen Sechserabteils, da bekamen wir nicht nur wegen der drei älteren Tansanierinnen, die um 4 Uhr morgens aufstanden, wenig Schlaf ab. Trotzdem war die Fahrt super interessant, grüne Palmenlandschaften vor den Fenstern wechselten sich ab mit dürren Ebenen, auf denen interessant aussehende Bäume und Riesenkakteen wuchsen. Wir fuhren durch vereinzelte Dörfer, in denen jeweils durchs Fenster allerhand Lebensmittel und andere für die Region typische Waren gekauft werden konnten und bald platzte unser Abteil aus allen Nähten. Und wenn man einfach nur die Nase aus dem Fenster in die Fahrtluft streckte, roch es nach dem Duft von Freiheit und Unterwegssein schlechthin.

 

Trotzdem war es eine Erlösung, in Daressalam anzukommen, wo wir bei unserer Gastschwester Nancy unterkamen und ein bisschen in ihr Studentenleben hineinschnupperten.

 

Die Stadt, die mich bei unserem ersten Besuch von vorne bis hinten überfordert hatte und in der ich das Gefühl gehabt hatte, von der Menschenmasse überschwemmt zu werden, wirkte diesmal schon viel freundlicher und die Menge an Eindrücken plötzlich interessant statt unmöglich zu bewältigen.

 

Ob das nun daran liegt, dass ich jetzt länger hier bin oder dass wir in anderen Stadtteilen waren, weiß ich nicht genau. Jedenfalls ist mir aber auf unserer Reise aufgefallen, wie viel leichter es mir mittlerweile fällt, mit Situationen umzugehen, in denen uns als Weiße Verkaufsartikel angedreht werden wollen oder wir als „Mzungu“ bezeichnet werden. Mit dem Wissen, dass das nicht böse gemeint ist und der Möglichkeit, auf Kiswahili zu kontern, fühlt man sich viel weniger ausgeliefert und ausgegrenzt.

 

Außerdem ist die Menge an positiven Erfahrungen, die wir hier mit fremden Menschen machen so groß, dass Negatives dabei weit zurück fällt. Auf unserer Reise wurden wir immer wieder mit wahnsinniger Gastfreundschaft aufgenommen, bei der Tante unserer Gastschwester in Daressalam genau wie bei den Couchsurfern, die uns bei unserer letzten Station in Tanga aufnahmen wie Familienmitglieder und uns die Stadt zeigten, mit uns kochten und Abends zusammen saßen. (Kurz zur Erklärung: Couchsurfing ist eine App, bei der man sich anmeldet und Reisenden ein kostenloses Unterkommen im eigenen Heim anbietet und im Gegenzug selbst auf Reisen kostenlose Unterkünfte finden kann und außerdem viele neue Kontakte knüpft).

 

Auf unserer Reise so viele verschiedene Menschen kennen zu lernen und so viele Orte zu sehen, hat mir außerdem nochmal deutlich gemacht, wie vielfältig dieses Land ist, dass ein Leben in einem Haus am Rande Daressalams, im Nachbarviertel ein riesiges Einkaufszentrum und von Morgens bis Abends anstrengende Univorlesungen, das Dasein als junger Mensch, der sich versucht, in Tanga ein Einkommen durch das Bestellen von Feldern aufzubauen und dann das Leben vieler Menschen hier in Uuwo, die eher einfachen Berufen nachgehen beziehungsweise ihre Tage auf den Feldern neben dem Haus oder beim Waschen/Kochen verbringen nochmal so unterschiedliche Welten sind. Klar, das ist irgendwie selbstverständlich, in Deutschland ist es ja genauso, aber auch wenn man es weiß, gesehen hatte ich bisher eben nur Uuwo und vielleicht noch das Dorf meiner Partnerschule.

 

 

 

So, und jetzt aber zu Weihnachten, das uns erwartete, sobald wir zurück kehrten. Da hier große Ferien sind, ist es in den meisten Familien üblich, dass alle zusammen kommen, die Kinder, die auf Internatsschulen gehen oder in einer größeren Stadt studieren, fahren zu Eltern oder Tanten, um dort ihre Tage zu verbringen. So auch hier, plötzlich wimmelte es im Haus von Cousins, Cousinen und Gastgeschwistern. Dazu möchte ich kurz sagen, dass Familie hier bei unserer Gastfamilie und ich denke überhaupt in Tansania sehr hoch gestellt ist und damit meine ich nicht die engste Familie, sondern Familie überhaupt. Es ist selbstverständlich, dass Kinder von Geschwistern jederzeit im eigenen Haus wohnen können und wie die eigenen Kinder zur Familie gehören, mit allen Rechten und aber auch Pflichten. Ich habe oft den Eindruck, dass Cousins und Cousinen einander genauso Geschwister sind wie leibliche Schwestern und Brüder, weil Tanten und Onkel die zweiten Eltern sind, bei denen man auch mal am Wochenende vorbei kommt oder bei denen man wohnen kann wenn man in der Nähe studiert/ zur Schule geht.

 

An Weihnachten war hier in der Familie Towo nach meinem Eindruck also der Treffpunkt der Cousins und Cousinen, die zu der Zeit ein paar Tage zusammen wohnen und von hier aus an den Weihnachtstagen andere Verwandte besuchten.

 

Wir Freiwilligen versuchten, es uns trotz des strahlenden Wetters etwas weihnachtlich zu machen, mit Plätzchen backen, Kerzen anzünden, Weihnachtslieder singen und Wichteln spielen. Am Abend des 24. wurde dann mit der ganzen Familie zusammen gegessen und danach in den 25. hinein gefeiert, mit Tanzen im Keller zu Partymusik. Hier in Tansania fängt Weihnachten am 25. an, an dem Tag wurde nochmal größer gegessen und beim 4-stündigen (!) Weihnachtsgottesdienst Anfangs ein paar Weihnachtslieder auf Kisuaheli gesungen.

 

Ein riesiger Unterschied zu Deutschland ist das gegenseitige Beschenken, das hier praktisch gar nicht vorhanden ist. Üblich ist, dass Kinder an Weihnachten neue Kleidung bekommen und in der Kirche eine großzügige Kollekte gespendet wird, an den westlichen Konsumrausch um die Weihnachtszeit reicht das aber bei weitem nicht heran.

 

Ich habe ein bisschen das gemütliche Zusammensitzen und Singen bei Kerzenschein vermisst, aber andererseits werde ich das ja die ganzen nächsten Jahre wieder haben und es war interessant, mal ein doch anderes Weihnachten mitzubekommen und die weiteren Verwandten unserer Gastfamilie kennenzulernen.